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Donnerstag, 2. Februar 2017

Weitblick in teils undurchsichtigen Zeiten

Für die Kreiskliniken ist es alles andere als einfach, einen belastbaren Wirtschaftsplan zu erstellen – Grund ist das DRG-System


ALTÖTTING/BURGHAUSEN. Rund 1.200 Mitarbeiter zählen die Kreiskliniken Altötting-Burghausen. Diese Menschen haben im abgelaufenen Jahr 30.000 Patienten stationär und 48.000 Patienten ambulant behandelt. „Hier arbeiten Menschen für Menschen. Und das 365 Tage im Jahr und 24 Stunden am Tag“, unterstreicht Vorstand Michael Prostmeier. Die Zahlenreihe lässt sich sogar noch weiterspinnen: 2016 wurden stationär 1.000 Bürger mehr behandelt als im Jahr 2015. Insgesamt wurden 12.000 Operationen und 5.000 endoskopische Leistungen erbracht. „Bei diesen Mengen erhielten wir nur 80 Beschwerden. Das ist eine Quote von 0,1 Prozent“, so Prostmeier.
Trotz all dieser engagierten und kompetenten Betreuungen verbuchte das Unternehmen wieder einmal rote Zahlen, wobei das operative Geschäft ganz knapp nicht ausgeglichen gestaltet wurde. Das zeigt, wie verquer das DRG-System (DRG = diagnosis-related groups) ist. Die Krux ist, dass die Kosten, die für einfache Fälle anfallen, nicht bezahlt werden. Deshalb haben kleine Häuser unter 200 Betten massive Schwierigkeiten und können kaum überleben. Große Häuser bieten mehr Spezialitäten, die hohe Erträge einspielen und können so das Minus aus den Grundleistungen der Notaufnahme, der Chirurgie und Inneren Medizin auffangen. Das DRG-System sollte einst zur Kostenkontrolle bei Krankenhäusern dienen. Mittlerweile ist es zum Machtinstrument geworden, um aus Sicht unterschiedlicher Lobbygruppen Überkapazitäten bei Betten abzubauen und damit Kosten zu sparen. Dass es aber im Gegenzug oft total überteuerte neue Medikamente zu finanzieren gibt, stört keinen. 

Kein Gut oder Böse

Zum Teil war die Intension einer transparenten Kostenkontrolle nicht ganz falsch. Viele Landkreise wollten ihre kleinen Häuser aufrechterhalten und so wurden Leute gerne einmal deutlich länger als nötig behalten, um zusätzlich Geld zu verdienen. „Beim DRG-System wird nur die Schwere eines Falles betrachtet. Nicht aber, dass Patienten unterschiedlich fit sind und manche sich aus unterschiedlichen Gründen nicht selbstständig versorgen können“, erklärt Prostmeier. Manchmal bitten auch Angehörige darum, noch ein Wochenende durchatmen zu können. Oder es gibt andere soziale Härtefälle, die das Krankenhaus dann selbst finanziert. Das magische Wort heißt „austherapiert“. Ab diesem Zeitpunkt ist der Patient quasi eine rote Zahl. In der Notaufnahme ist jeder Patient eine rote Zahl. Gleiches gilt, wenn er nur einfache Erkrankungen aufweist, weil die anfallenden Kosten von den Kassen nicht voll übernommen werden. 

Fallpauschalen 
und die Realität

Den Weitblick bei der Erweiterung und Sanierung des Hauses in Altötting und der schrittweisen Umgestaltung Burghausens in ein ambulantes Zentrum zu bewahren, ist laut Michael Prostmeier gar nicht so einfach. Alleine schon einen belastbaren Wirtschaftsplan für 2017 aufzustellen, war ein kleines Kunstwerk. Der Gesetzgeber hat sich neue Winkelzüge beim DRG-System einfallen lassen. Einerseits will man die Qualität der Spezialgebiete über die Menge der Operationen steuern. So müssen 50 Knieendoprothesen pro Jahr durchgeführt werden, um als Zentrum zu gelten und somit die optimale Finanzierung zu erreichen. Auf der anderen Seite sind die Berliner Experten nun auf die Idee gekommen, andere Leistungen zu kürzen, wenn sie eine bestimmte Menge überschreiten. Dann vermuten Lobbyisten und damit auch manche Politiker „Leistung ohne erkennbaren medizinischen Nutzen“ und haben dafür Abstriche in den Abrechnungen vorgesehen. „Das sieht ganz danach aus, als ob das DRG-System irgendwann abgeschafft wird. Das wäre vielleicht nicht das Schlechteste“, so Prostmeier. Grundlage des Fallpauschalensystems ist der Landesbasisfallwert, der jährlich zwischen den Krankenhausgesellschaften und den Krankenkassen vereinbart wird. Dieser wird mit der relativen Fallschwere multipliziert. Dieser Faktor kann zwischen 0,5 oder auch 99 schwanken. „Wir haben für 2017 eine Steigerung des Landesbasisfallwertes von zwei Prozent angenommen“, so Prostmeier. Damit rechneten die Kreiskliniken sehr konservativ. Sollte dieser Wert nur um ein Prozent steigen, würde dies einen Verlust von rund 800.000 Euro nach sich ziehen. Das Einzige, was sicher ist, sind die völlig verdienten Lohn- und Gehaltssteigerungen der Mitarbeiter. „Solche Kosten interessieren im DRG-System nicht“, so Prostmeier. Alle Krankenhäuser müssen zudem mit den Kosten beim Einkauf von Materialien kalkulieren, die durchaus auch während des Jahres deutlich schwanken können. Neue Hygienebestimmungen können die Kosten genauso in die Höhe treiben wie Sperrung ganzer Abteilungen, wenn zum Beispiel der Noro-Virus als temporärer Gast identifiziert wird. Deshalb sind hohe Auslastungen von weit über 70 Prozent oftmals kein Indiz dafür, dass es zu viele Betten gibt. Vielmehr braucht es auch Ausweichmöglichkeiten, wenn wegen eines Virus Patienten kurzfristig verlegt werden müssen. 

Richtiger, aber 
flexibler Weg

Inmitten dieser teils überaus undurchsichtigen politischen Strömungen beweisen Vorstand, Verwaltung und Kreistag großen Weitblick, wenn es um die Neuausrichtung der Kreiskliniken geht. Folgende Eckpunkte sind sicher: Altötting wächst um 6.230 Quadratmeter oder 22 Prozent. Eine Konzentration auf einen stationären Standort ist wichtig, weil damit viele Grundkosten auf mehrere Betten verteilt werden und damit später nicht mehr doppelt anfallen. 80 Betten werden aufgestockt. Die Intensivstation verdoppelt sich auf 42 Betten. Zusätzlich entstehen sieben OP-Säle, ein Zentrallabor und eine Zentralsterilisation. Die Abstimmung erfolgte ganz eng mit erfahrenen Planern und Projektsteuerern, sowie dem Gesundheitsministerium. Das gesamte Projekt dauert knapp zehn Jahre. „Wir müssen manche Prozesse immer wieder neu überdenken, um auf zukünftige Reformen reagieren zu können“, so Prostmeier. (uk)